Jessie

Hurra, ich habe ein tolles Zuhause, zwar mit einem ganzen Rudel Katzen, gefunden aber mein Chef ist dafür ganz akzeptabel. Jeden Tag geht er mit mir spazieren und ich darf nicht nur herumtoben, sondern auch überall herumschnüffeln. Nur wenn ich mich zu weit entferne, brüllt er so laut, dass man meinen könnte, die Welt geht unter und so sprinte ich sofort, damit meine Ohren keinen Schaden nehmen, herbei. Aber vor Begeisterung über mein neues Hundeleben stelle ich gerade fest, dass ich mitten in der Geschichte anfange zu berichten und Ihr wisst noch gar nicht wer ich bin. Daher will ich mit meinen ersten Erinnerungen beginnen.
Ich wurde, so schätzten die Menschen, im März 2006 als beigefarbenes Mädchen mit schwarzer Schnauze und dunklen Ohren geboren und kam im Oktober 2006 ins Tierheim. Als ich dort zum ersten Mal gepiekst wurde, erklärte man mir, dass dies zu meiner eigenen Gesundheit und Sicherheit sei. Man hat mich auch noch kastriert und mit einem Chip versehen, damit ich, wenn ich einmal nicht nach Hause finden sollte, wieder zurückgebracht werden kann. Noch musste ich viele Wochen im Tierheim leben und habe jeden angebrummelt, der mir zu nahe kam oder nur den Versuch unternahm, mich anzufassen. Nicht einmal das Futter schmeckte mir! JessieDie Pfleger dort setzten mich nun in den Gang und jeder lief ständig an mir vorbei. Ganz allmählich gewöhnte ich mich so an das hektische Treiben und an die Menschen, die ständig sauber machten aber uns auch etwas zum Trinken und zum Futtern brachten. Hier gab man mir den Namen Tessa. Später wurde ich von meinem neuen Boss auf den neuen Namen Jessie umgetauft.
Dann eines Tages besuchte mich ein Mann, der mich begrüßend den Kopf kraulte und ich revanchierte mich indem ich aufdringlich seine Hand leckte, was ich bis heute immer noch gerne oft zum Leidwesen meiner Menschen mache. Er unternahm einen Rundgang durch das Gelände. Als er zurückkam, wurde ich angeleint und durfte mit einem anderen Hund und dessen netten Pflegerin, die ich schon kannte, da sie hier uns immer unser Futter brachte, spazieren gehen. Apropos, diese Pflegerin hat im Vorbeigehen ihre Hände so baumeln lassen, dass ich immer wieder am Kopf getroffen wurde. Zuerst knurrte ich, damit sie mich in Ruhe lässt, aber da sie sich jedes Mal entschuldigte, maß ich der Sache keine weitere Bedeutung bei – und lernte ich allmählich, dass dieses Tätscheln eine Wohltat ist und gewann so Vertrauen zu Menschen. Auch die folgenden Tage ging ich mit meinem späteren Herrchen spazieren und eines Tages öffnete er seine Autotür, ich musste hineinspringen und so nahm er mich mit in seine Wohnung. Hier lernte ich das Katzenrudel kennen und durfte die Nacht bei ihm, da ich die Katzen nur freundlich abschleckte, schlafen. Als wir am nächsten Morgen zum Tierheim fuhren, ließ er mich einige Zeit allein im Auto warten. Nach einiger Zeit kam er mit einem Stapel Papiere zurück und erklärte mir, dass ich nun für immer bei ihm wohnen durfte. Nach eurer Zeitrechnung ereignete sich das geschichtsträchtige Datum am 18. Januar 2007.
Ganz am Anfang hier im neuen Zuhause habe ich mich aus Unsicherheit von den frechen und verfressenden Katzen von meinen Futternapf verdrängen lassen. Heute knurre ich nur leise und kann nun in aller Ruhe weiter meinen Hunger stillen. Ab und an verwöhnt er mich mit leckeren Knochen oder Schweineohren, die ich dann in seinem Schlafzimmer ungestört verspeise. Inzwischen habe ich mich sogar an das gute und leckere Futter so gewöhnt, dass ich beleidigt mir unbekanntes Futter oder was meiner Nase nicht zusagt, immer in der Erwartung, dass nun das richtige kommt, zu ignorieren Trotz alledem verteidige ich laut knurrend selbst ungeliebtes Futter.
Da wir jeden Tag spazieren gehen und mir das ganze nicht langweilig wird, benutzen wir oft sein Auto. Diese ausgedehnten Spaziergänge bereiten mir großen Spaß und so springe ich in Erwartung eines neuen Spazierganges sofort in das Auto, sobald er die Tür öffnet. Es macht mir überhaupt nichts aus, wenn er erst einmal einkaufen fährt, da wir anschließend unseren gemeinsamen Ausflug machen. So wandern wir häufig am Strand entlang und dabei ist etwas peinliches passiert als ich gerufen wurde und eilig zu ihm wetzte, ist es mir als wasserscheues Geschöpf doch tatsächlich meiner Aufmerksamkeit entgangen, dass er selber im Wasser watete und als dann mich eine Welle traf, sprang ich mit allen vier Beinen vor Über-raschung in die Luft. – Trotzdem war ich, wie ihr Euch denken könnt, pudelnass und der Sand klebte an meinem Fell. Zugegeben, Schuld war ich selber, denn ich tobe zwar gerne mit meinem Hundefreund durchs Gelände, aber meistens ist es mir wichtiger meinen Boss neben ihn gehend, zu bewachen.
So haben wir jeden Tag eine Menge Spaß. Mir bereitete es immer großes Vergnügen ungestüm hinter allem was vor meinem Gesichtsfeld auftauchte oder gar flüchtete hinterher zu jagen, aber mein Boss war davon überhaupt nicht begeistert, schimpfte mit mir und zog kräftig an der Leine. Heute spürt er, was zwar nur noch äußerst selten vorkommt, wenn mit mir wieder einmal die Pferde durchgehen.
Inzwischen sind wir umgezogen und wohnen in einem großen Haus mit einem riesigen Garten. Keine Mauer ist mir hier zu hoch, um diese nicht erklimmen zu können und nun außerhalb des Gartens auf Pirsch zu gehen. Aber den Rückweg finde ich noch nicht und warte daher geduldig vor dem Gartentor, dass er mich wieder rein lässt. So hat mein Chef festgestellt, dass ich ein Meister im Klettern bin.
Nach einem spannenden Tag muss man natürlich auch seinen erholsamen Schlaf genießen können, aber keine der Schlafdecken genügt meinen Ansprüchen. Jedes Mal muss ich erst einmal mühsam mit meinen Vorderpfoten und vielen Drehungen um die eigene Achse, die Decke zurechtrücken, damit wenigsten für mich, wenn auch nur mit viel Phantasie der Eindruck einer Höhle entsteht. Nun kann ich endlich meine Schlafposition einnehmen. Aber wie! Ich versuche euch dieses so genau wie möglich zu beschreiben. Auf den Rücken liegend, die Hinterbeine weit gespreizt, die rechte Vorderpfote ruht angewinkelt auf meiner Brust und als Ausgleich strecke ich die linke Vorderpfote weit aus. Bevor ich nun endgültig in Orpheus Reich versinken kann, wird zum Abschluss noch eine Fellputzstunde eingelegt. Man das ist entspannend und die spannesteten Träume kommen nun von allein. Aber wenn ich nur einmal ein kurzes Nickerchen mache oder dösen möchte, rolle ich mich zusammen und mein Kopf liegt auf den beiden Vorderläufen. So entgeht nichts meiner Aufmerksamkeit, da ich beim kleinsten Geräusch meinen Kopf heben kann.
Übrigens, ich als typische Frau, liebe Schuhe über alles und so klaue ich meinem Chef immer Schuhe, um sie auf meine Kuscheldecke mitzunehmen, und obwohl er sie gut versteckt, finde ich die immer wieder sofort. Es nutzt ihm überhaupt nichts, sie weit unter der Couch zu schieben. Selbstverständlich verteidige ich meine Beute mit lautem Knurren gegen alle Mitbewohner. Aber mein Boss ist ganz schön genervt, wenn er jedes Mal erst minutenlang seine Treter suchen muss, um das Haus verlassen zu können.
Wenn ich etwas falsch gemacht habe und mein Chef mit mir schimpft, hebe ich meine linke Vorderpfote über meinen Kopf und verdecke die Augen. Frei nach der Devise: Nur nichts sehen und da mein Ohr ja auch abgedeckt ist, kann ich natürlich auch nichts hören. Selbstverständlich muss ich alles was hier so passiert beobachten und so verdient es besondere Aufmerksamkeit, wenn mein Chef die Katzen streichelt. Sie liegen dann lang ausgestreckt auf dem Schoss und schnurren voller Inbrunst. Ich stehe dann aufrecht mit weit vorgestreckter Schnauze und hochgestellten Ohren die Katzen fast berührend neben der Gruppe.
Da er häufig beschäftigt ist, muss ich seine Aufmerksamkeit erzwingen, stürme ich auf ihn zu um ihm die Hand zu lecken. Meistens ist er schneller und meine Zunge landet ins Leere, aber mein Wunsch wird erfüllt. Auch in jeder anderen Situation versuche ich durch Leckattacken an der Hand oder am liebsten im Gesicht, zum Leidwesen meines Futterlieferanten, auf mich aufmerksam zu ma-chen.
Inzwischen ist es hier so warm geworden, dass ich mich mittags immer wieder ins kühle Haus zurückziehe, aber wenn wir dann endlich am Abend an den Strand dürfen, springe ich als erstes ins Wasser, pflüge mit meiner Schnauze quer durch dieses erfrischende Element, um anschließend bis zum Bauch durch das kühle Nass zu waten. Selbst wenn mich nun eine Welle trifft, bin ich nur noch ganz leicht irritiert, um sofort noch wilder zu toben. Und anschließend begeistere ich meinen Boss ihn am Strand, mich kräftig schüttelt, nass zu spritzen. Der Spaß geht nach so einem ereignisreichen Tag am Strand zu Hause weiter. Mich erwartet das Duschbad! Ich genieße es, wenn der Duschstrahl mein Fell trifft und so recke ich Hals und Kopf vor Freude dem Wasser entgegen. Mit einer Selbstverständlichkeit schüttele ich anschließend im Wohnzimmer mein Fell aus.
Ich vermisse das Plantschen inzwischen so sehr, dass ich nach dem ich meinen Durst gestillt habe, das Wasser aus unserer großen Trinkschale mit meinen Pfoten her-aushole und eine riesige Überschwemmung in der Umgebung zur Freude meiner Menschen fabriziere.
Ich bin lieber pflegeleichter Hund und will das dies auch so bleibt, immer alles richtig machen, so muss ich mit deutlichem Knurren anzeigen – das gehört ja schließlich zu meinen Aufgaben – alles verteidigen, was uns gehört, egal ob es Möbel, die Zimmer oder das Futter, selbst das was ich nicht mehr mag, da kenne ich absolut kein Pardon, mal ehrlich das ist doch richtig, oder? Mein Mensch sieht leider das anders, besonders, wenn ich wieder einmal seine Schuhe unter meinen Bauch versteckt habe und schimpft nun mit mir.
Häufig vergesse ich mein Bravsein und mir gehen dann die Pferde durch. So bin ich zu all möglichen Schabernack aufgelegt und stifte meine Hundefreunde oft zu Dummheiten oder Streichen auf, indem ich vorlaufe – und wenn die sich dann ganz der Sache widmen, ziehe mich zurück und laufe zurück zu meinen Menschen gehe nun unschuldig bei Fuß.
So jetzt habt ihr einen kleinen Einblick über mein Leben gewonnen und ich möchte mich lieber wieder meinem gewohnten Tagesablauf widmen, als hier meinem Boss stundenlang die Geschichten zu diktieren.

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